Menschennester
Nester sind Behausungen. Sie dienen den Vögeln zum Schutz für ihr Gelege, zur Brut und Aufzucht des Nachwuchses. Später werden sie verlassen, von manchen Arten aber auch zur nächsten Brut wieder aufgesucht.
Das Nest symbolisiert auch für Menschen Geborgenheit, Kindheit und Beschütztsein. Es bedeutet Wärme und Frieden. Ein Nest ist ein innerer Sehnsuchtsort. Mein Menschennest steht da, wo es gebraucht wird, und lädt jeden ein, sich darin niederzulassen.
Im gigantischen Tagebau Hambach in Nordrhein-Westfalen (D) haben Aktivisten ihre Holzbehausungen hoch in die Bäume gebaut. Hier leben und kämpfen sie seit Jahren, um den letzten Rest des Hambacher Forstes zu retten, der seinerseits ein Symbol für klimaschädliche Energiepolitik und Raubbau an der Natur geworden ist. Ihre Baumhäuser sind für mich Menschennester.
Der Dschungel Neuseelands stellt auf seine Weise ebenfalls einen geschützten Bereich dar. Er wird vor Zerstörung durch Menschen bewahrt. Die Infotafeln auf dem Parkplatz erklären die erwünschten Verhaltensregeln, danach ist eine Schuhdesinfektion Pflicht, damit niemand fremdes Genmaterial in das gehütete Biotop einschleust.
Der Besucher betritt also die vermeintliche Wildheit vollkom-men gefahrlos, bewegt sich auf befestigten Wegen und wird keinem gefährlichen Tier begegnen. So mutiert der neuseeländische Dschungel, der normalerweise ein Angstraum sein könnte, zu einem riesigen Menschennest.
Christiane Rath
Geboren 1962 in Oberhausen, aufgewachsen im Rheinland, studiert und promoviert an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn, dort Malerei und Fotografie im Nebenfach im Studio für Kunsterziehung.
Arbeits- und Lebensmittelpunkt seit 1988 in Köln, seit 2004 Konzentration auf Fotografie und Installationen, insbesondere im öffentlichen Raum. Eigene Ausstellungen in Köln, Düsseldorf, Frankfurt, Berlin. Teilnahme an zahlreichen Gruppenausstellungen und Austauschprojekten.
Kuratorentätigkeit und Kulturvermittlung, auch spartenübergreifend. Seit 2009 Vorstand Kunstverein 68elf Köln, seit 2017 Mitglied im BBK Düsseldorf, seit 2020 Mitglied in der Eulengasse Frankfurt.
Fotografie als Ausdrucksmedium von Konzeptkunst, gesellschaftspolitischen Positionen, überraschender Verfremdung und ästhetischem Selbstzweck.